J. Monika Walther
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Was mache ich heute?

März 2024

Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben’, dove andrò...

singt Orpheus.

Was wäre die Erde ohne die Menschen? Eine friedliche Landschaft? Würde die Evolution ein anderes Wesen hervorbringen, als den Menschen? Oder könnte das noch einmal ohne Verbote erfunden werden, ohne Mauer und Schlangen? Gleich wie schön die Opern klingen, wir sind auf der Welt und unser Unverstand, unsere Gier ist grenzenlos.

Seit Menschen auf der Erdkugel leben, gibt es Krieg und Unbill, Hass und Verbrechen. Der Mensch ist der Welten Feind. Deshalb gibt es in manchen Ländern auch Kriege der Regierung, eines Herrschers gegen die eigene Bevölkerung oder die Bevölkerung spaltet sich in mehrere mehr oder weniger gut bewaffnete Gruppen auf und bekämpft einander – bis die Menschen hungern, die Kinder verhungern, Frauen und Kinder fliehen, ohne zu wissen, wo sie in Sicherheit wären, bis alles kaputt ist. Auch die letzte Hütte. Aber auch dann findet sich kein Ende der Bürgerkriege und des Raubbaus.

In der Wiege der Demokratie gab es Kriege zwischen Athen und Sparta. Die Römer trieben sich herum und führten in der Fremde Stellvertreterkriege. Die Besitzenden unterdrückten die Ärmeren, aber noch war nicht die ganze Kugel in Mitleidenschaft gezogen, noch gab es Ressourcen, noch wurde nach Ausgleich gesucht. Noch war die Idee, wir müssen uns verständigen, Lösungen finden, miteinander auskommen, verbindliche Regeln aufstellen.

Orpheus und Euridice mussten in ihrer Zwischenwelt die Untaten und Übergriffe der Götter aushalten. Großes und kleines Kino, Geschichten und Abenteuer, die bis heute erzählt und beschrieben werden. Bis heute erleben die Gläubigen in aller Welt und in allen Zeiten Übergriffe der ‚Götter‘, wobei es immer Menschen sind, die sich in Gewänder aller Art werfen, sich göttliche Macht anmaßen, um sie umgehend zu missbrauchen. Seit vielen Jahrhunderten rauben und plündern die Religionen aller Art, missbrauchen und lügen, wollen herrschen und führen grauenhafte Kriege im Namen von diesem oder jenem Gott, Propheten. Und so lange es irgend geht, sind es überwiegend Männer, die die Bevölkerung, die Frauen terrorisieren. Der Iran ist eines der schrecklichsten Beispiele. Amerika ist auf dem Weg ein evangelikaler rechter Staat zu werden. Der Beispiele sind zu viele.

Kriege gegen die eigene Bevölkerung gab es in jenem Griechenland nicht, außer den ewig menschlichen Abläufen, dass die einen sich auf Kosten der anderen bereichern, um dann auf sie herabzusehen und sie noch mehr auszubeuten. Aber keine großen Kriege gegen die eigene Bevölkerung. Das war und ist in Deutschland ganz anders. Zurzeit findet eine landesweite und groß angelegte Übung statt, wie lassen sich die Menschen in Gruppen verweisen, um dann alle mit Etiketten zu versehen und aufeinander zu hetzen. Wenn noch entsprechend die Medien diesen Prozess begleiten, werden aus jungen Klimaaktivistinnen, die Kartoffelbrei auf Glas schmieren gefährliche Linksterroristinnen, die in Präventivhaft genommen werden müssen, während Bauern mit Traktoren und Galgengerüsten nachts Mist, Gülle und Baumstämme auf Bundesstraßen kippen können, ohne dass von der ganzen Härte des Gesetzes gepöbelt wird, ohne dass von Rechtsterroristen die Rede ist. Denn hinter den Bauern stehen Großkonzerne. Ein Leichtes ist es auch die imaginäre hart arbeitende Mitte gegen Flüchtlinge, Bürgergeldbezieher, Ärmere, Alte, Junge, Frauen aufzubringen und all diese Gruppen aufeinander zu hetzen. Bis endlich die allerunterste Stufe der Leiter erreicht ist und der imaginäre Volkszorn die schwarze Frau erreicht, die aus Nigeria flüchtete und schwarz in der Spülküche eines großen Hotels arbeitet.

Zur Zeit des Nationalsozialismus gelang es den Raub an den „Reichsfeinden“ zu organisieren und zu legalisieren. Am Ende wurden die Reichsfeinde massenhaft ermordet: die Enteignung, die Wegnahme jeglichen Besitzes, von Häusern, Geld, Einrichtung bis hin zum Ehering, der letzten Waschschüssel, dem allerletzten Becher und Löffel wurde akribisch registriert. Vierzigtausend Akten der NS-Vermögensverwertungsstelle in Berlin und Brandenburg von 1942 bis 1945 wurden jetzt erfasst und digitalisiert. Und veröffentlicht. Jede und jeder kann nachlesen, was damals geschah. Die Geschichte der Martha Liebermann ist bekannt. Aber auf den 2,5 Millionen Seiten gibt es viele Leben, viele Menschen, deren Unterschrift, die Enteignung und ihr Leben besiegelte. Hab und Gut wurde geraubt, enteignet, versteigert, verkauft, unter der ‚arischen‘ Bevölkerung verteilt. Opa war kein Nazi, aber woher kommt das Silberbesteck und die Suppenschüssel? Sechshundert Millionen Reichsmark (= vier Milliarden Euro) wurden der Reichskasse zugeführt.

Die Zivilgesellschaft hat zugesehen, hatte jeden Einblick in die Enteignungen. Spediteure, viele Händler profitierten. Volksgenossen konnten anfragen und erhielten den Besitz der Verschleppten. Die Unterlagen sind rechtssicher. Ansprüche können geltend gemacht werden. Fast achtzig Jahre nach Kriegsende. Damals gelang die Ausgrenzung der „Reichsfeinde“, gelang die Ermordung und Versklavung. Noch einmal sollte dieser Weg der Hetze in Deutschland nicht begangen werden. Nie wieder ist jetzt. Noch geht die Welt nicht unter.

Was tue ich? Ich schreibe und schreibe und freue mich, dass so viel Neues möglich ist. Veröffentlichungen kunterbunt. Monika Detering und ich arbeiten an dem Kriminalroman: Die Sünde der Väter. Sibylle Ciarloni hat für „poesia diffusa heißt ein Projekt, das ich in der Gemeinde, wo ich jetzt lebe, kuratiere“ zwei Gedichte ausgesucht. Der Schriftstellerinnenverband im Münsterland lässt einige Gedichte als Plakate drucken. Es gibt die wunderbare Literaturzeitung (hrsg. von Matthais Engels) ‚Die sanfte Eiche‘. Es gibt die ‚Umtriebe‘ und ‚Jonny Goethe‘. ‚Aus dem Alltag – Die Welt ist eine Laienbühne‘ ist eine wunderbare poetische Plattform. Ein neuer Gedichtband ist begonnen. Und es gibt viele Notizen für einen neuen Roman.

Was wünsche ich mir: Dasselbe wie das letzte Mal und das vorletzte Mal: Dass der Kampf gegen die Diktatoren, Autokraten und Faschisten gelingt. So viele tapfere Frauen und Männer wagen ihr Leben für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte. Mit Freiheit meine ich Grundrechte, nicht dieses egoistische Geschrei um Wohlstand und Unverstand.

Und: Ein Gedichtanfang:

Oder
wird es zu spät sein?
Wird es wie immer zu spät sein
um zu fragen zu suchen
zu gehen und zu leben?

Noch trägt die Erde uns
wird es zu spät sein
Die Risse im Haus ziehen sich
bis zur Straße die ins Land
der Toten ins Kriegsland führt,
die Sprünge in den Tassen reißen.

Wird es zu spät sein sich
auf den Weg zu machen aus
der Dunkelheit der Paradiese
aus der Schwärze der Albträume.
Die Zeiträder rattern tickend...

Noch ist die Welt nicht verloren. Noch nicht.

Jay