J. Monika Walther
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Was mache ich heute?

Februar 2006

Ein Che faro in eigenen Ungereimtheiten: Ende des Jahres bin ich aus dem Schriftstellerverband, dem VS, ausgetreten. Über ein Vierteljahrhundert war ich engagiert in diesem Verband, oft zähneknirschend, mit Bauchweh, kopfschüttelnd, während der Mitarbeit in der Geschichtskommission auch traurig und fassungslos darüber, dass Westkollegen andere bundesdeutsche Schriftsteller und Autorinnen bespitzelt, Berichte für die Staatssicherheit der DDR geschrieben haben. Ich hatte auch nicht gewusst, dass Teile der Gewerkschaft und eben vor allem des Schriftstellerverbandes der DDR und der DKP so nahe standen. Wie nahe, zeigte sich 1990: mancher Kollege bekam kein Geld mehr aus der DDR, verbrachte seinen Urlaub nicht mehr umsonst "drüben" an der Ostsee, manches kam heraus und einige Verlage und Druckereien in der Bundesrepublik verschwanden von einem Tag auf den anderen von der Bildfläche, zu abhängig waren diese Betriebe von der DDR und DKP gewesen.

Ausgetreten aus dem Schriftstellerverband bin ich eher aus einem Summa Summarum aus Gründen: das meiste der Gewerkschaftspolitik gehört in ein historisches Museum, ein neues Denken ist nicht in Sicht, dann der Kurswechsel in der Atompolitik - wobei es spannend wäre über unsere Ressourcen zu diskutieren und festzustellen, dass sich dringend sehr viel ändern müsste, auch mit Blick auf die weltweit zunehmende Armut; ja - und dann gab es immer mehr Dinge im Schriftstellerverband, Beschlüsse, die ich nicht nachvollziehen konnte, aber eine intellektuelle Diskussion, die war nicht zu finden, wenn dann ging es meist nur darum, wer wo liest. Völlig übersehen wird, dass Literatur, die Arbeit und das Fortkommen als Schriftsteller, auch ֦fentlichkeit sich heute anders entwickeln. Also müsste dieser Schriftstellerverband doch wenigstens ein Ort für literarische und kulturpolitische Auseinandersetzungen sein und kein Hinterstubenverein, in dem Lesungen verschachert werden. Aber gut - warum nicht. Den letzten Ausschlag gab, dass ich ganz offensichtlich mit nichts mehr dem VS n촺e sein konnte, - ich organisiere in Kooperation mit anderen so vieles, aber das alles ist außerhalb des Verbandes, ohne Berührungspunkte, - also dann waren fünfundzwanzig Jahre doch eine runde Sache. Vorbei nun.

Seit letztem Jahr bin ich Mitglied der Autorinnenvereinigung e.V. (u. a. Trägerin des Autorinnenforums Berlin-Rheinsberg) und seit ein paar Tagen auch bei den Mörderischen Schwestern, den Sisters in Crime, die demnächst ihr zehnjähriges Bestehen feiern.

Das war diese Ungereimtheit. Die nächste: Still und leise hatte ich aus dem Internet meine kommentierte Biobibliografie entsorgt. Nun bin ich sechzig gewesen, also doch noch einmal ein Blick darauf:

Sie jobbte als Kinokassiererin und Taxifahrerin, veröffentlichte als Literatur- und Filmkritikerin, arbeitete als Lektorin und gründete zwei Verlage (zusammen mit Annette V. Uhlending). Längere Aufenthalte in Spanien, Portugal und Israel.
Seit 1964 literarische Veröffentlichungen.
Seit 1976 arbeitet und lebt sie als freie Schriftstellerin. In so knappen Sätzen lässt sich so viel Leben zusammenfassen: Der rote Faden war immer, dass ich schreiben, malen wollte. Dass ich es gar nicht wollen musste, weil ich eben schrieb und malte und Leben erfand. Der zweite Gedichtband erschien als ich in Spanien war: Ein paar Dinge von denen ich weiß Beim Karin Kramer Verlag. Da war ich stolz. Und als nächstes erschienen bei Antje Kunstmann Die verlorenen Träume. Heute weiß ich, dass ich damals bekannt war: es gab Interviews und Fernsehfilme. Aber das hörte auch schnell wieder auf. Das weiß man nicht, wenn man mitten drin ist. Und heute bin ich stolz darauf, dass ich bis jetzt vom Schreiben leben kann. Immerhin. M쨳amer ist es mit den Jahren geworden. Ich schreibe mehr, veröffentliche mehr, aber bei den Honoraren gibt es ja keine Lohnrunden, keine jährlichen Zuschläge...

Für den letzten Verlag habe ich im Februar 2006 die hoffentlich letzte notarielle Unterschrift geleistet, damit das Amtsgericht die Geschäftstätigkeit der tende GmbH als beendet bekundet. Der Verlag Frauenpolitik in Münster war ein schöner Aufbruch, alles schien möglich. Tende war dann ein Vierteljahrhundert lang überlegte verlegerische und ökonomische Knochenarbeit, und immer zusätzliche Arbeit, denn alle Beteiligten verdienten ihr Geld ja anderswo. Um ehrlich zu sein, wir haben geheult, als der Entschluss gefasst war, nach fünfundzwanzig Jahren aufzuhören, aber wir waren auch froh und glücklich, dass es zu Ende ging. Stolz ist da immer noch: Verlag Frauenpolitik, die Buchhandlung Marx und Moritz im münsterschen Kreuzviertel, der tende Verlag u. a. mit Büchern von Sigrid Weigel und Ulrike Kolb, die Rowohlt und DTV schätzten. Mit einem Buch von Karin Struck, die nun tot ist und bei der die wenigsten Kritiker, die berufliche Kontenance bewahrten, selbst im Nachrufen musste noch nach getreten werden. Warum? Ihre Bücher waren wichtig, haben bewegt, haben Geschichte gespiegelt und einen Millimeter weitergerückt. Geld wurde mit ihnen auch verdient. Warum nun der Vorwurf, das sei keine große glänzende und funkelnde Literatur gewesen? Das war damals in den 60er und 70er Jahren auch nicht die Idee. Karin Struck hat ihre schriftstellerische Arbeit gemacht, ihr Leben versucht, immer wieder riskiert, teilweise sich unmöglich aufgeführt, verletzt. Na und -

Es war Klaus Schöning vom WDR, der mich nach Köln einlud und mir die Chance gab aus der Erzählung "Das weiße Zimmer" ein Hörspiel zu entwickeln. Und dass er als erstes mit mir zur Kasse ging, damit ich mein Fahrgeld bekam, das kommt mir heute wie ein Märchen vor. Und auch, dass sich Jahre später - wieder beim WDR - eine lange Zusammenarbeit mit Angela di Ciriaco-Sussdorf entfalten konnte. Es gibt Fotos, da sind wir beide noch ziemlich jung. Fürr SFB und Radio Bremen haben mir dann die ersten eigenen Regiearbeiten ermöglicht. Das schwarze Jackett, in Berlin zur ersten Regie am Savignyplatz gekauft, hängt noch immer mit glänzendem Seidenkragen im Schrank. Den Hut aber, der damals auch schon gekauft werden sollte, bekam ich erst viele, viele Jahre - in Berlin, Oranienburgerstrasse geschenkt.

Hier seien doch die Namen gesagt: es waren Marion Fiedler und Günther Bommert, die mir damals auf gute Weise auf die Sprünge halfen. Danke.

Einige Hörspiele sind im Internet unter http://www.hoerspiel.com/links/juenger.htm aufgelistet und manches findet sich auch bei der Suchmaschine google.de.
J. Monika Walther war Autorin im Team der WDR-Daily-Hör-Soap "Schräges Leben - Schönes Lieben" (1996-98). Und ist Dozentin an der Heine-Universität in Düsseldorf für Medienpädagogik.
Die Soapzeit war eine aufregende Zeit und eine mit mehr Geld als gewohnt, aber da es so aufregend war, war das Geld auch schnell wieder ausgegeben.
Mit anderen zusammenzuarbeiten ist etwas Kostbares, ist schwierig, ist schön, weil Neues entsteht, das größer ist als man selbst...

Ja - aber - ja. Weil ich immer schreiben wollte, bin ich mir heute nicht mehr sicher, was ich manchmal alles durcheinander gebracht habe. Gemeinsame Arbeit für Freundschaft gehalten? Oder das Schreiben in eine mögliche Freundschaft hineingetragen? Auch - weil ich im Schreiben noch am ehesten mich mitteilen konnte? Auf jeden Fall musste ich begreifen, dass man rackern kann wie man will, nicht alles dauert ewig, manche Begegnung, manche Zusammenarbeit hat ihre begrenzte Zeit. Aber oft habe ich gerackert und gezerrt und wollte nicht begreifen, dass die Gemeinsamkeiten zu Ende sind, dass ja auch ich mich verändere und anderswo bin. Dass es ja auch leicht und frei macht, nicht immerzu den gesamten angesammelten Ballast im Gep䣫 mit zu schleppen, dass es schön ist, sich wieder neu zu erfinden. Den Blick frei zu bekommen.

Bin ich also vorsichtig und sage: es ist schön von der Berliner Fotografin Barbara Dietl, kennen gelernt beim Autorinnenforum 2004 in Rheinsberg, Fotografien geschickt zu bekommen und Erzählungen zu diesen Bildern schreiben. So entstanden bis jetzt Der Vorhang und Die blaue Brille. Zwei Kriminalgeschichten.

Und es ist schön, seit wohl zwanzig Jahren immer wieder mit der Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Roters-Ullrich "etwas" zu organisieren: im Augenblick den Auftakt der bundesweiten Veranstaltungsreihe: "Land der Dichterinnen und Denkerinnen - Poesie und Radikalität weiblichen Schreibens" in Essen im Grillotheater (7. Mai). Es ist ein Glück, dass man sich nicht alles errackern muss. Und dass es immer anderswo weitergeht. Und da ist mit sechzig auch keine Ende. Ich schreibe mehr denn je, konzentrierter; mit einer Lust an Details und der Sehnsucht nach der Überwindung der Grenzen, meiner und der Welt, der Dinge.

Und was mache ich heute? Schreiben. Klavier üben. Und endlich, endlich ein paar Presseartikel zu mir als Schriftstellerin zusammenstellen, damit ich was hermache da draußen.

J.