J. Monika Walther
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Oktober 2025

Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben’, dove andrò...

singt Orpheus.

Wissen wir mehr über Gesellschaft und Menschen als Euridice und Orpheus? Ja und nein. Denn schon diese beiden konnten erfahren und wissen, dass in dem Augenblick, in dem Besitz an Boden, an Feldern, an Häusern entstand, ein Grundstein für den Kapitalismus, für Ungleichheit gelegt wurde. Eine Organisation der Gesellschaft, des Zusammenlebens jenseits von christlichen und sozialen Ideen und Werten. Jenseits von gleicher Anteilnahme am Leben. Ich habe mehr als du, also habe ich mehr Rechte. Du kannst ja für mich arbeiten. Es folgt das Lachen aus der Hölle. Das Paradies ist geschlossen. Die Reichen feiern ihre Feste.

​Euridice und Orpheus erlebten den Anfang: Wie kann eine Gesellschaft wenigstens demokratisch, gleichberechtigter organisiert werden, trotz Besitz und Herrschaftsstrukturen? Der Versuch Demokratie startete in Griechenland. Wir erleben, wie der späte und völlig verkommene Kapitalismus sich gegen andere Verteilungen und demokratische Lösungen immer brutaler wehrt. Und weit und breit sind kaum Lösungen für die Gesellschaften, für eine lebenswerte Zukunft in Sicht. Inzwischen träumen Milliardäre von rechtsfreien Städten und schreien: Freiheit und Demokratie passen nicht zusammen. Diese Besitzenden sind in der Mehrheit Männer. Und der Traum von Gleichberechtigung ist ausgeträumt. Die Mehrheit der Männer will die Herrschaft über Frauen, will Krieg. Quer durch die ganze Welt Krieg als Bandenterror, der immer für die Armen ein Überleben bedeutet und Töten der Nachbarn, damit die Anführer reich und mächtig werden. Oder Krieg als Überfall auf ein anderes Land. Und gleichzeitig geht es immer um den Kampf gegen die Bevölkerung. Jede Gruppe wird gegen eine andere aufgestachelt, alle werden beleidigt, diffamiert, stören im Stadtbild, sollen weg. Die Frauen zurück in die Häuser, die Armen sollen schuften, die Alten gefälligst verschwinden, wie auch immer. Nur die Reichen dürfen und können alles. Wenn gar nichts mehr nützt, dann muss eine faschistische Herrschaft, eine Diktatur her, ein Krieg und vielleicht schafft der Kapitalismus es auf diese Weise wieder und noch einmal zu überleben. Nur wird dieses Szenario immer schwieriger, weil der Klimawandel mit seinen Zerstörungen unbezahlbar wird, das Leben für die Menschen immer schwieriger werden lässt. Die Milliardäre und Kriegsherren haben kein Konzept.

​Wir müssen lernen laut zu werden: zu fordern und uns zu wehren. Aufhören jeden Tag uns von den Regierenden beleidigen zu lassen bei gleichzeitiger Androhung irgendwelcher Maßnahmen gegen diese oder jene Gruppe: Arme, Alte, Kinder, Frauen, Arbeitslose, Kranke, Pflegebedürftige, Rentner, Malocher in den unteren Lohngruppen …. Und: Die große Gruppe der ‚Migranten‘ und so ungenau dahin gesagt in Verbindung mit dem ‚Stadtbild’ sind damit auch noch die italienischen, polnischen und türkischen Einwanderer aus dem letzten Jahrhundert gemeint, die alle zum Aufbau der Bundesrepublik, des Ruhrgebietes sehr, sehr viel beigetragen haben. Aber das ist und wird vergessen, genauso wie völlig verdrängt wird, wie das ‚Wirtschaftswunder‘ entstanden ist: Weil nicht nur die Konzerne, die Firmen, die Betriebe einen unglaublichen Raubzug während des Faschismus begangen haben, einschließlich der Zwangsarbeit, die auf fast jeden Bauernhof und in jedem Hinterhof stattfand, sondern weil auch fast jede Deutsche, jeder Deutsche, fast jede Familie sich bereichert hat an dem, was anderen, nämlich denen, die nicht ins faschistische Stadtbild passten, geraubt worden war: Teppiche, Silber, Gemälde, Klavier, Geschirr, Pelze …

​Sind die Deutschen auch deshalb so ängstlich, weil sie so entsetzlich viele Verbrechen begangen haben? Oder warum tragen sie so wenig Nächstenliebe in sich? Und sich selber mögen sie auch nicht! Und müssen sich aufputzen zu tausendjährigen Germanen, dabei ist das doch nur ein Wort der Römer für alle Fremden. ​Stehen wir für uns und unsere Wünsche und unsere Worte ein. Bilden wir andere Verbindungen und Banden, für Demokratie und gegen Faschismus. Tun wir, was wir können. Egal wo und wie, ob jung, alt, Land oder Stadt. Ob humpelnd oder rennend, auf der Straße oder am PC, tun wir, was wir können. Und sei es Anzeigen schreiben, Reichweiten schaffen. Zusammen und allein. Jetzt. Nicht später. Jetzt. Halten wir zusammen und helfen wir einander weiter. ​Was wünsche ich mir? Tapfere und kluge Freundinnen und Freunde, die es gleichzeitig schaffen für den Frieden und die Demokratie einzustehen und die Vernetzung, den Widerstand gegen den Faschismus zu organisieren. Ja, an manchen Tage macht das alles nur noch müde, aber wir dürfen nicht beiseite gehen. ​Was tue ich? Immer älter werden und ich schreibe immer weiter. Und ich versuche (mit anderen) Wort zu halten, einzustehen für diese Demokratie. ​Und: Ich schaue gerne über Tellerränder und klettere über Himmelsleitern. Die Reisen werden weniger, aber es gibt sie und sei es eine zum Jahrmarkt im Himmel oder mit einer Erzählung rund um die Welt.

Frank Happel hat das Gedicht Reisende zum Song werden lassen:

reisen:de

Schlafwagen

Im spiegelnden Glas
einander ansehen
ich lache über mich.
Fliehe in der Nacht
Kein abgetragenes Gesicht.
Keine Angst vor den Tränen.
Nicht verloren aber verlassen.
Du hast keinen Zug bestiegen.
Du bist nicht angekommen.
Du hast viele Gründe.

Im spiegelnden Fenster
umgedreht ich sehe mir nach
dein Gesicht in meinem Blick
die Seelenaugen sind müde.
Ich decke das Bett auf.

Im Schlaf duften die Zitronen
die reifen Aprikosen
ich grüße die fremden Nachbarn
sammle am Strand der Insel Utopia
Sandkörner und folge den Spuren.
Im Schlaf höre ich die Grenzer nicht
Pass Passeport Pasaporte Pass
Deutsche Demokratische Republik
Bundesrepublik Deutschland
Wer bin ich wo?
Ich decke das Bett zu.
Die Lebensmühe wartet nicht.

© Jay Monika Walther
Nachtzüge - Gedichte und gefundene Zettel

Jay