J. Monika Walther
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Dezember 2024

Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben’, dove andrò...

singt Orpheus.

Shakespeare schrieb in seinem Theaterstück König Richard III.: „Du machtest ja zur Hölle die beglückte Erde.“ Sind es die Herrschenden oder die Bürger, sind es die Diktatoren, Autokraten, die vielen Narzissten und Gierigen, sind es die vielen Fundamentalisten aller Religionen oder gibt es Teufel, die die Erde verwüsten? Und – gab es je eine beglückte Erde? Denn selbst im Paradiesgarten lauerten ja schon Gefahren, gab es Verbote und Verführung, waren Aufgaben zu lösen und war zu gehorchen. Was wäre eine beglückte Erde? Eine Kugel ohne Menschen? Oder doch ein Paradiesgarten für Menschen? Aber wie müssten diese Menschen sein, diese Frauen Männer und Queeren aller Art, damit nicht wieder ein Sündenfall geschieht. Oder wenigstens eine Zivilisierung des Menschen, die diese Gattung so im Zaum hält, dass die Erde für Menschen bewohnbar und ohne Kriege bleibt.

Dummheit, keine Ausbildung, kein Wissen, Ignoranz sind die größten Übel in der Erdenhölle (Eifersucht und Leidenschaft richten viel weniger Schäden an), auch - weil es beruhigend ist, nichts zu wissen und auf die einfachen verlogenen Erklärungen zu hören, Schuld anderen zuzuweisen und nichts bei sich zu ändern. Klimaschutz: Wir bauen lieber die Deiche höher (bringt Gewinne) und fahren für zwanzigtausend an den Nordpol, um die Gletscher schmelzen und die Pinguine tanzen zu sehen (bringt Gewinne), als unsere Art zu leben zu verändern (bringt erst später Gewinne, vielleicht aber keine hohe Rendite). Die jungen Nazis haben nicht deshalb keine Arbeit, weil sie ohne Ausbildung und Schulabschluss sind, sondern weil ausgebildete Fremde (Ausländerpack) ihnen die Arbeit wegnehmen, die Arbeit, die sie sowieso nie erledigen könnten oder wollten. Fremde, Menschen mit nicht weißer Hautfarbe sind im Gegensatz zu uns faul und dumm und so weiter. Grüne sind an allem schuld, an allem. Für eine Sekunde erleichtern die Vorurteile und helfen, sich zurechtzufinden. Eine kleine Sekunde. Danach müsste das Denken einsetzen. Wenn nicht - kommt irgendwann die Rechnung für all die kleinen Sekunden der Bequemlichkeiten. Und der Dummheit. Nicht wissen wollen. Dem Komplizierten sich nicht aussetzen. Ja, aber – es ist doch auch schön, Heil und Hurra zu schreien. Es ist schön, mit Fahnen aufzumarschieren. Es scheint auch schön zu sein, zu enthaupten, Menschen zu jagen (egal, wo auf der Welt), sie verhungern zu lassen und ins Elend zu bringen, kleine Mädchen als Sexsklavinnen zu verschachern. So vieles tun die einen Menschen den anderen Menschen an, Männer den Frauen, alle zusammen den Kindern. Da kommt dann zur Dummheit noch die Gier. Nach Macht, nach Gewinnmaximierung, nach Geltung und Glitzer, nach einem Kick. Wer an Gott, den einen glaubte, würde alle Untaten lassen. Aber so ist das nicht mit dem Glauben. Die Menschen machen ganz andere Rechnungen auf. Sie lieben Ideologien, je fundamentaler, umso besser und einfacher. Zur Not müssen dann auch Gott und der Himmel herhalten. Gott ist dann schuld, weil er sich nicht kümmert, das war aber nicht der Deal. Gott übergab die Verantwortung an die Menschen.

Der Dreißigjährige Krieg: Behauptet wurde von allen Parteien, dass sie wegen diesem oder jenem christlichen Glauben in den Krieg ziehen würden (es ging aber ausschließlich um Landgewinn und Machterhalt), initiiert wurde stattdessen eine neue Form des massenhaften Mordens und Tötens: Söldnerheere, die sich ihre Bezahlung bei der Zivilbevölkerung durch Raub, Mord, Vergewaltigung holten. Wallenstein hatte die Tür geöffnet: Kein Geld, also schaut, wo Ihr bleibt, alle miteinander. Ölfelder gab es in Magdeburg nicht, aber dies und das. Wenigstens. Danach kamen Jahrhunderte, in denen die Kriege in einer neuen Ordnung verliefen: Heere gegen Heere, Soldaten im Karree, alle uniformiert, von Trommlern angeführt, die Feldherren zu Pferde auf einem Hügel, die Farben bekannt. Der Faschismus öffnete ein zweites Mal die Tür: zur Résistance, zum Partisanenkampf, zu Einheiten aus Freiwilligen, zu bezahlten Söldnertruppen, die nach 1945 in Afrika reguläre Armeen ersetzten und inzwischen in der ganzen Welt üblich sind. Terroreinheiten, frei vagabundierende Söldner, Kämpfer und Freiwillige, also nur noch asymmetrische Kämpfe, Bombenanschläge, Selbstmordattentate, im Namen von irgendwas und irgendwem. Nicht erklärte Kriege, sondern Überfälle, Besetzungen, Zerstörungen, Landnahmen, Raub, Mord, Hetze, Destabilisierung bestehender Systeme. Keine beglückte Erde, sondern viele Höllen, viele Katastrophen, verursacht und inszeniert durch uns Menschen. Und doch gibt es neben den Sekunden der Bequemlichkeit, der Gier, des grenzenlosen Egoismus, auch die des Glücks. Die Glückssekunden, die Zufriedenheit, die Klugheit, das Mitgefühl, die Hilfe, das Leben für und mit anderen in Zuversicht und Wohlwollen. In Frieden. Was wünsche ich mir? Eine gute Nachbarschaft, tapfere und kluge Freundinnen und Freunde, dass alle Klugen es aushalten gleichzeitig für den Frieden und die Demokratie einzustehen und die Vernetzung, den Widerstand gegen den Faschismus zu organisieren. Die Kriege werden sich ausweiten, die Diktatoren werden keine Ruhe geben. Die Mächtigen werden auf Kosten aller noch reicher und mächtiger werden wollen.

Was tue ich: Schreiben. An einem Gedichtband mit dem Titel Himmelsleiter arbeiten, an Erzählungen arbeiten.

Und: Das neue Jahr soll langsamer vergehen, das wünsche ich mir noch. Mehr Zeit zum Schauen, Lesen, Musik hören und Freundinnen sehen. Das neue Jahr soll allen freundlichen, klugen, wohlwollenden Menschen eine Chance geben. Aber die müssen sie sich wohl erkämpfen.

Jay