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Was mache ich heute?
November 2007
Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben’, dove andrò...
Ein Trugschluss – fallacia/la fallacia – ist in der Philosophie ein Vernunftschluss, der der Form nach falsch ist, obgleich er den Anschein einer richtigen und vernünftigen Schlussfolgerung in sich trägt. Ein solcher Schluss ist oder nennt sich Paralogismus, aber nur dann, wenn man sich selbst hintergeht; hintergeht man andere in aller Absicht, dann handelt es sich um ein Sophisma: fallacia a dicto secundum quid ad dictum simpliciter.
Ein wahrhaft philosophischer und auch sehr pragmatischer Einfall, sich selbst so zu hintergehen, dass der Anschein für Vernunft und Richtigkeit vor sich selbst gewahrt bleibt, obwohl ich doch weiß, was ich mir vormache mit meinen Gedanken, Wünschen und Annahmen. Sich selbst hintergehen, sich selbst betrügen und sei es in der Hoffnung, nicht betrogen zu werden oder andere betrügen zu können, um nicht betrogen zu werden und betrügen zu können. Wo endet das? In der Hölle? Oder doch im Himmel, weil alle Beteiligten eine Zeitlang begeistert sind?
Sich selbst hintergehen? Wo es endet, weiß ich nicht, aber die Hoffnung, die sich verbirgt darin, ein anderes Leben zu führen, in dem es weder den Selbstbetrug noch das Hintergehen anderer gäbe – welche schöne Illusion deretwegen, man sich und andere einmal über die inneren Meere schickt –
Sich selbst hintergehen, in dem man sich mit seinen Wünschen im Kreise dreht und anderen auf die Nerven geht, das heißt sein eigenes Lied nicht singt, die Melodie nicht wagt, endet in der privaten Hölle der Unzufriedenheit.
Ein Trugschluss in der Harmonielehre ist eine von der Dominante ausgehende Akkordverbindung, die nicht in der Tonika, also auf dem dem Grundton entsprechenden Akkord, aufgelöst wird. Es gibt die Erwartung, dass das Stück „so“endet, aber das geschieht nicht, vielmehr ist ein „Betrug um die Tonika“ zu hören, in Dur dann ein Mollakkord, in Moll ein Durakkord. Oder der erwartete Akkord wird ausgelassen. Es gibt eine ganze Liste der Trugschlussklänge. In der Dramaturgie der Texte, der Hörspiele ist das nicht anders. Es gibt Stücke, die bestehen nur aus Trugschlüssen. Es gibt auch Leben, die so konzipiert sind. Die können besser gelingen, als jene, die es mit der Authentizität versuchen.
Und ich schreibe an einer Erzählung, die „Der Trugschluss“ heißt.
Schreiben können hätte ich jetzt auch darüber, dass es die Berner Flößer waren, die über den Rhein und immer weiter im letzten Jahrhundert Schweizer Baumstämme von Bern bis nach Rotterdam flößten. Sie wurden in der Schweiz in die Aare geworfen und kamen Wochen später mit den Flößern in Rotterdam an. Ich hätte davon erzählen können, weil ich darüber nachgedacht habe (mehr darüber unter Aktuelles), warum die Schweiz keine Seefahrernation ist, was so auch nicht stimmt, denn der Grund des Genfer Sees liegt voller Barken, Fregatten, Kriegsschiffen und Piratenbooten. Sie konnten gar nicht genug davon bekommen, also die Schweizer und Savoyer, sich gegenseitig zu versenken oder ihre Schiffe wegen mangelnder Navigationskunst auf Grund zu setzen.
Was tue ich heute? Das weiß ich selbst nicht so genau: Sortieren, aufräumen, im Garten und im Arbeitszimmer, drei kleine, sehr kleine Klavierstücke auswendig lernen.
Es gibt größere Landschaften als wir selbst und es gibt winzige Bezirke, in denen wir dann auch nicht zu Recht kommen. Es gibt neuere Kompositionen, in denen Eurydike nicht im Hades artig zurückbleibt, sondern lebt und vernehmbar singt.
Ach so, das noch: nach neuester Forschung singen die Engel ohne Unterlass, sie singen mit einer Stimme und sie singen in Wechselchören, kurzum Engelsmusik ist Kanon, die himmlischen Chöre singen Kanon, zumindest all jene singenden Engel und Gottesboten, die nicht auf der Erde notlanden mussten, um das Weihnachtsgeschäft zu beleben.
Schabbat Shalom und mazel tov sowieso.
Jay