J. Monika Walther
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Was mache ich heute?

Oktober 2008

Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben', dove andrò...

Ein ganz normaler Tag – ein ganz normaler Tag? Einer, an dem ein Kind versucht mit einem Becher den Bodensee oder die Elbe leer zu schöpfen und sich empört und weint, dass ein Ende des Schöpfens nicht abzusehen ist? Oder einer, an dem man in einem Krankenhaus auf die Aufnahme und ein Zimmer wartet morgens um neun und erfährt, dass man die zweite OP ist und aus der Straßenkleidung in ein Flügelhemdchen schlüpft, einen weißen Strumpf über das linke Bein gezogen bekommt und im Bett durch Korridore gefahren wird; drei Stunden weiter friert man auf der Intensivstation und bekommt schöne heiße Decken übergelegt, abends um acht ist man endlich auch noch geröntgt und wird über die Flure in das Zimmer gefahren. Der Himmel ist dunkel, in der Kirche nebenan singen Nonnen ein Abendgebet, die Schmerzmaschine summt leise und die Nachtschwester leuchtet jede Stunde mit einer Taschenlampe ins Zimmer und fragt: Geht es? Ja, es geht. Wie an den anderen normalen Tagen im Leben, an denen wir uns für eine Sekunde entgehen und die Stille fühlen. Oder die Unbedingtheit der Liebe: Bid me to live. – Oder wie an all den normalen Tagen, an denen wir nichts fühlen und denken wollen, nur weiter, einfach nur weiter. Und wieder ein normaler Tag.

Gibt es ein Sein und Dasein im Sinne von Wahrheit oder der Bewahrung von Sein? Meist sind wir abgelenkt durch all die Probleme an den normalen Tagen, ihrer Reflexion und der Suche nach Auswegen. Die Emanzipierten begnügen sich mit der Vielfalt, wenige suchen nach dem Einen und der Stimmen und Sätze sind so viel, dass es immer unmöglicher scheint, mit dem Verstehen zu beginnen. Verbirgt sich ein Stück Wahrheit im Wortwörtlichen oder in dem Wissen um den Gebrauch der Sprache und ihrer Interpretation?

Warum sagen wir vieles nicht so, wie wir wollen? Warum übertreiben oder verschweigen wir, gebrauchen vage Sätze, falsche Worte? Nehmen wir mehr wahr, als wir wahr haben möchten? Und, falls ja: Was zwingt uns, dieses "Mehr" auch auszudrücken? Ist es die "Wahrheit"? Warum hat der Begriff eine solche Bedeutung für uns, und warum tun wir uns mit ihm so schwer? (Mehr ist bei Petra Morsbach zu lesen: "Warum Fräulein Laura freundlich war")

Man kann das Wort "Wahrheit" auch vermeiden. Nach einem kaum widerlegbaren Diktum von Nietzsche gibt es keine Wahrheit, nur Interpretationen – so wenig wie Noten auf die einzig richtige Weise gespielt werden können, also niemals "wortwörtlich". Aber: Es gibt Interpretationen von sehr unterschiedlichem Wert. Worin besteht der Wert? Worin der Unterschied? Und wie findet sich zwischen dem Gebrauch der Sprache, der Art des Erzählens und den Interpretationen eine mögliche Wahrheit?

Hannah Arendt schreibt: "Wissen und Verstehen ist nicht dasselbe, aber sie sind miteinander verbunden. Verstehen ist auf Wissen gegründet, und Wissen kann nicht ohne vorausgehendes, unartikuliertes Verstehen vor sich gehen."

Was tue ich heute? Einer liebenswerten Freundin schrieb ich dieser Tage: Jetzt weiß ich, was ich mir für die nächsten zwei Jahre wünsche, dann wenn ich wieder gehen kann – jetzt fehlt mir nur noch der Charakter dazu, ich meinte die Haltung. Den Widerspruch aushalten.

Und was wünsche ich mir? Mein Leben – zwei Jahre Auszeit. Und damit meine ich nicht die Vergeblichkeit der Gewinnung von Ziegenkäse in den Cevennen oder der Hochebene von Pau.

Jay