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Che Faro - Was mache ich heute?
September 2012
Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben', dove andrò...
Haben Euridice und Orpheus je in der dritten Person über sich nachgedacht und hatten sie eine Zukunftsplanung: Wenn ich jetzt noch mehr und schöner singe, werde ich berühmt? Oder - wenn ich jetzt in der Hölle bleibe und sterbe, dann schreiben sie Opern über mich? Was muss ich tun, um besser da zu stehen? Lieber nicht den Fürst der Hölle küssen, dafür flehen: Orpheus, schau mich an. Und er widersteht nicht, also bin ich tot und ihm ist Rache gewiss. Niemand findet vielleicht je heraus, dass ich, Euridice, Orpheus verließ, weil er mir auf die Nerven ging mit seiner singenden Wichtigtuerei, in der Hölle küsste und dann alles tat, damit er sich umwandte. So durfte ich weiter küssen und war dennoch das Opfer. Weltberühmt. Aber ich genoss gleißendes Glück und Orpheus wurde ermordet.
Welcher Weg führt zu „wahren“ Gefühlen? Gibt es sie? Oder sind nicht alle Gefühle mit den Institutionen, der Kultur einer Gesellschaft verbunden, sind historisch geprägt und gehen über das Individuelle hinaus und allemal weit über die Frage: Wer bin ich, wo ist meine Authentizität, wie geht es mir? Die modernen Gefühlspraktiken benötigen das Wissen über Selbstbild, Authentizität: Wer bin ich wirklich, als ginge das, ich wirklich und authentisch und ich sein. Das sind Paradoxien der Subjektivität, des Wunsches unverwechselbar und einzigartig zu sein. Die eine Liebe, nah bei uns. Da nützt nur ein wenig Ironie und Abstand. Und auch das Wissen, was die späte Moderne alles so treibt. Ein gemeinsamer moralischer Code ist wichtiger als die Ausdehnung der Gefühle des Individuums und Selbstverwirklichung. Die Ausdehnung der eigenen gefühlten Verletztheit ins Unermessliche entfernt von universellen Menschenrechten und einer distanzierten Plattform wechselseitiger Achtung (Ute Frevert). Und: Auch in der modernen Suche nach Glück verbirgt sich viel Paradoxie. Und wenig Begreifen, dass wir nicht ohne Geschichte, gesellschaftliche Konditionierung Glück definieren, gleich wie sehr wir meinen uns um „Selbstverwirklichung“ bemühen zu müssen. Insofern war Euridice vielleicht doch schlauer und distanzierter zu sich als Orpheus.
Was wünsche ich mir? Endlich endlich endlich wieder schreiben – nach diesem Jahr, das fast nur der Arbeit für die Autorinnenvereinigung gehörte. Endlich Zeit für Freunde, Besuche, Familie, Garten. Endlich auch – nichts tun.
Was tue ich? Nach Leipzig fahren, zur Jahrestagung der Autorinnenvereinigung e.V. 2012. Ab Freitag kein Vorstand mehr sein. Seit 1993 engagiere ich mich für Schriftstellerinnentreffen, Vernetzung, Organisation: 1996 das erste Rheinsberger Forum: Eine jede lege ihr Wissen in die Waage.
Und: Ein müder ruhiger verhangener Tag. Ein kleines Glück. Und: Zwei Bücher erschienen: Sperlingssommer, Erzählungen und ein Gedichtband: Windblüten Maschendraht.
Jay