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Che Faro
Was mache ich heute?
Mai 2002
Manchmal gehen wir an Land,
in Häfen, die sich gleichen, und suchen eine weiße Hand
und wissen schon, daß wir sie nie erreichen.
Manchmal träumen wir davon,
daß uns ein Haus erwarte,
und wissen doch in Träumen schon, daß es die Sehnsucht war,
die uns so narrte.
Hertha Kräftner hörte schon mit dreiundzwanzig auf zu suchen und zu träumen, sie mordete sich selbst, nachdem sie im Wien der vierziger Jahre als ein "Wunderkind" betitelt wurde. Zum Verwundern hat sie andere und sich mit ihren Gedichten und ihrer Prosa gebracht. Was schrieb Nelly Sachs: "Wer im Dunkeln sitzt, zündet sich einen Traum an." Das hat Hertha Kräftner getan, aber es ist ihr nicht hell und warm genug geworden.
Gemütlich warm kann es einem werden in der deutschen Düsternis der Reaktionen auf den 11. September 2001: Zu unterstützen wäre wirklich der Aufruf "Gegen vorsätzliche Geistesabwesenheit": Ob Grass, Antje Vollmer, Boris Becker oder Peter Sloterdijk - zu überlegen ist - und danach ist dann stillzuhalten und abzuwarten, denn gute Deutsche kapitulieren präventiv, um nicht angegriffen zu werden, das ist also aus der Geschichte gelernt: zu überlegen und die Antwort auf die Frage ist zu suchen: Was haben wir den Tätern angetan, daß sie so gemein werden mußten, damit wir ihre Not begreifen. Und. Was müssen wir jetzt tun, damit wir verschont bleiben? So wurde allen Ernstes darüber diskutiert, ob Hochhäuser nicht eine Provokation an sich seien, weil sie doch die Arroganz der westlichen Macht verkörperten. (Ein Glück, daß ich in einem Kotten lebe, das bringt mich auf die sichere Seite, da muß ich nur aufpassen, daß ich nicht zwischen die Fronten gerate, also nicht zu weit weg von den Hochhäusern rücke). Moralisch hochdifferenzierte Überlegungen wurden darüber angestellt, ob es sich bei den Anschlägen wirklich um kriegerische Aktionen neuer Art oder - nur um außergewöhnliche Akte des Aufbegehrens handle, auf die man doch nun überlegt und angemessen reagieren muß, also ist die Forderung nahe, die Abschaffung der gesamten Armut zu verlangen. Und eine vorsichtige Distanz ist zu den Opfern einzunehmen, haben sie doch als Amerikaner schon ein bißchen auch selbst schuld. Irgendwie schon. Nicht wirklich, aber schon doch. Kurzum: was haben wir den Tätern nur getan, daß sie so verzweifelt uns töten müssen? Also nicht uns Deutsche, nur ein paar, sondern eben die Amis. Henryk M. Broder hat all diese deutschen Moralismen gesammelt und dokumentiert.
Und sonst: Der Frühling ist da. Der Ginster blüht. Ach - und Sorgen gibt es reichlich. C'est la vie.
Was ich heute tue? Die Frage möchte mir sein: Was tue ich morgen?